Charlie Chaplin – Humorvolle Humanität: der Zeitungsbericht

Charlie Chaplin: Humorvolle Humanität, Bericht von Jürg Kesselring, Sarganserländer vom 24.3.23

Am Mittwoch, 22. März 2023, fand im Kursaal der Grand Resorts Bad Ragaz die letzte Veranstaltung der Kulturellen Vereinigung dieser Saison statt: ein Gespräch mit Eugene Chaplin über «Leben und Werk meines Vaters Charlie Chaplin»

            Eugene Chaplin ist das fünfte Kind von Oona O’Neill und Charlie Chaplin. Mit sieben Geschwistern wuchs er in Corsier-sur–Vevey auf. Er ist Tontechniker und Dokumentarfilmer, war lange als künstlerischer Direktor des Circus Nock tätig, ist Präsident des Internationalen Comedy Film Festival von Vevey und betreut das Chaplin’s World – The Modern Times Museum, das 2016 im ehemaligen Schweizer Wohnsitz der Familie in Corsier-sur-Vevey eröffnet wurde. In diesem Haus hatten er und die Familie die heitersten Momente ihres Lebens verbracht.

            Im Gespräch mit William Kent, dem Projektleiter von «Chaplin‘s World», illustriert mit eindrücklichen Bildern aus den privaten Alben und aus bekannten Filmen, gab Eugene Chaplin außergewöhnliche Einblicke in die Arbeit und das Leben seines Vaters. Renato Bergamin, der Präsident der Kulturellen Vereinigung fasste auf Deutsch zusammen. Daniela Keller, langjähriges Vorstandsmitglied der Kulturellen Vereinigung nannte in ihrer Einführung den von Chaplin erfundenen und verkörperten «Tramp» mit seinen übergrossen Hosen und Schuhen, zu enger Jacke, biegsamem Bambusstöcklein in der Hand und zu kleiner Melone auf dem Kopf, aber mit den Manieren und der Würde eines Gentlemans, die liebenswürdigste Figur der Filmgeschichte: ein Mann mit Seele.

            In seiner Biographie berichtet Chaplin, dass er sich zur Vorbereitung eines Films einen Schnauz angelegt habe, weil er älter wirken wollte, aber dieser musste klein sein, damit er nicht seine Mimik verbarg. Seinem Sohn erzählte er, dass sein Trampkostüm auf einer Londoner Bühne entstanden sei, als er für einen Komiker einspringen sollte, der viel grösser war als er und einfach dessen Kleider anzog. Sein typischer Watschel-Gang war die Konsequenz seiner großen Schuhe. „Der Spazierstock steht für die Würde des Menschen“, sagte Chaplin einmal zu seiner Idee des Tramps, „der Schnurrbart für die Eitelkeit, und die ausgelatschten Schuhe für die Sorgen.“

Seine kreativen Arbeiten sind immer inspiriert von den Erlebnissen und Erfahrungen in der schwierigen Kindheit und Jugend im armen East London. „Alle meine Filme bauen auf der Idee auf, mich in Schwierigkeiten zu bringen, damit ich mich nachher verzweifelt ernsthaft darum bemühen kann, als normaler kleiner Gentleman aufzutreten.“ In dieser Rolle wurde Chaplin immer als der Gute, der Nette, der Kleine wahrgenommen, der sich aber trotzdem nicht unterkriegen ließ und zum Schluss nichts hat, ausser seiner Würde und dies ist sehr viel! Darin können auch wir uns mit unseren Alltagssorgen wiederfinden. Chaplins Filme sind optimistisch und enden hoffnungsvoll, auch wenn sie oft eine traurige Geschichte mit vielen Schwierigkeiten erzählen. Dies ist auch ein Teil des Geheimnisses seiner Popularität bis heute, seiner Unsterblichkeit: weil wir alle ein bisschen Charlot in uns haben. Humor als beste Methode, um Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und ihre Auswirkungen zu überwinden. «Einer schlägt sich ständig mit dem Hammer auf den Daumen, wird nach dem Grund dafür gefragt und sagt: Weil es sich so gut anfühlt, wenn ich damit aufhöre». Es kommt eben immer auf die Interpretation der Geschehnisse an und an dieser sind wir immer persönlich beteiligt.

            Chaplin arbeitete, sein Sohn sagt: «wie jeder Clown» sehr seriös und diszipliniert. Obwohl er nie zur Schule gegangen war oder Musikunterricht genossen hatte, übte und spielte er jeden Tag mehrere Stunden Musik. Von seinen Kompositionen sind über 900 Minuten Aufführungsdauer registriert. Den Kindern und wohl auch vielen seiner Bekannten und Gästen, denen er begegnete, zeigte er die Bedeutung von Bildung auf: nicht einfach als angesammeltes und aufgestautes Wissen, sondern als Möglichkeit, in der schwierigen Umwelt besser zu bestehen. Eigentlich immer ein Ansporn zum Lernen mit seinen eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten und diese laufend zu verbessern. In seiner Einladung zur Bildung war er eben genial und übte sie nicht als Tyrann aus. Für ihn gab es drei wirkliche Genies, die er alle persönlich gut kannte: Churchill, Einstein und die Rumänische Pianistin Clara Haskil, die er sehr unterstützte. Einstein sagte einmal zu ihm: «Sie sagen ja gar nichts und alle verstehen und lieben Sie», da antwortete Chaplin: «Interessant: und Sie sprechen, aber keiner versteht Sie und kann Sie trotzdem gernhaben». Im Manoir le Ban lebte die Familie schon auch in einer gewissen Art Blase, wie Eugen ausführte: sehr harmonisch, sodass er erst bei seiner ersten Freundin merkte, dass es Streit nicht nur in Filmen gibt…

            Es war ein wunderbarer Abend! Der Kulturellen Vereinigung ist herzlich zu danken, dass es ihr gelungen ist, einen so interessanten und bescheiden wirkenden Gast einzuladen, der solch wertvolle Einblicke in sein privates Leben und dasjenige seines berühmten Vaters gab, von denen wir alle für unseren Alltag, in dem wir manchmal auch Schwierigkeiten begegnen, profitieren können.

Jürg Kesselring