«Wasser hat schon früh die Gesellschaft bewegt»
Die Kulturelle Vereinigung Bad Ragaz hat zum Vortrag «Auf Wasser gebaut – zur Geschichte der Grand Hotels im Alpenbogen» eingeladen. Referentin Dr. Cordula Seger, Leiterin des Institutes für Kulturforschung Graubünden, hat dabei einen weiten Bogen gespannt, in zeitlichem, geografischem und inhaltlichem Sinne.
von Susan Rupp / Sarganserländer
Zahlreiche imposante Grand Hotels sind zur Zeit der Belle Epoque in alpinen Luftkurorten entstanden und haben Gäste aus der ganzen Welt angezogen, so die Fachfrau zu Beginn. Im Mittelpunkt stand dabei das Wasser, das für die alpine touristische Entwicklung grosse Bedeutung besitze. «Sind es doch die Quellen und Bäder, die als wichtige Ressource erkannt, im Laufe der Jahrhunderte ausgebaut wurden und Gäste aus aller Welt anlockten – lange bevor von Tourismus im modernen Sinn die Rede sein konnte.» So erstaune es nicht, dass die ersten komfortablen Grand Hotels, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Alpenbogen erstellt worden seien, in engem Zusammenhang mit Wasser gestanden hätten.
Ärzte als Werbeträger
Zum Stichwort «Wasser als gesundheitsförderndes Gut» nannte die Referentin dann Bad Pfäfers und die Taminaschlucht, die «mit dem warmen Quellwasser eine herausragende Stellung eingenommen hat». Es habe sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein betrachtet eine gemischte Gesellschaft im Bad bewegt und habe tagelang – wortwörtlich – «ausgebadet», was zur Folge hatte, dass Hautausschlag oder sich ablösende Haut als Kurerfolgszeichen gewertet worden sei. Ärzte waren damals sozusagen die Werbeträger der Quellen, die eingeladen wurden, wenn sie entsprechend Reklame machten. Seger berichtete ausserdem, dass in St. Moritz schon in der Bronzezeit Lärchenstämme ausgehöhlt worden seien, um das Wasser einer mineralienreichen Quelle zu fassen. «Das Bewusstsein gegenüber Wasser hat schon früh die Gesellschaft bewegt», fasste sie zusammen.
Die Referentin zitierte aus dem Gedicht «Gesang der Geister über Wasser» von Johann Wolfgang Goethe («Strömt von der hohen steilen Felswand der reine Strahl, …, wallt er verschleiernd, leisrauschend zur Tiefe nieder»), das der deutsche Dichter während einer Schweizerreise, inspiriert von den Staubbachfällen in Lauterbrunnen, geschrieben hatte. Sie zeigte als ergänzendes Beispiel aus der Malerei ein Gemälde ebendieser Wasserfälle im Berner Oberland und fasste zusammen: «Die kollektiven Sehnsüchte, die dadurch geweckt wurden, haben viele Leute in die Schweiz gebracht.»
Inszenierung der Natur
Unter dem Aspekt «Wasser als ästhetischer Genuss» sei auch die Aussichtsfrage bzw. der Blick aus erhabener Stellung auf Berg und See zentral geworden. Unzählige Berge und ihre Aussicht seien entsprechend inszeniert worden, so beispielsweise auch der Pilatus, dessen Erschliessung durch die steile Zahnradbahn europaweit für Aufsehen gesorgt hatte. Ganz so spektakulär zeige es sich nicht überall, aber «die Aussicht wurde zum Motor in der Entwicklung der Hotellerie». Und Landschaft fasziniere noch heute.
Inszenierungen, wie man sie heute kennt, habe es bereits im 19. Jahrhundert gegeben. Am Eingang von Gletschern standen Trachtenmädchen, die Edelweisse verkauften. Es zeigte sich, dass man Erlebnisse bieten musste, um mithalten zu können, also Gondeln auf dem See fahren lassen, ein Caféhaus eröffnen, Spazierwege anlegen – der reine Kuraufenthalt sollte zum Erlebnis werden. So wurde beispielsweise der gefrorene See bei Sils während der Wintermonate durch Eissegler bespielt oder der Caumasee durch die zum Grand Hotel Waldhaus in Flims gehörende Badeanstalt zum Anziehungspunkt gemacht.
«Der perfekte Kurort»
Abschliessend kam Cordula Seger auf die besondere Rolle, die das Grand Resort Bad Ragaz mit dem «Quellenhof» einnimmt, zu sprechen. Immer wieder habe sich das Hotel aufgerappelt, sich neu erfunden. Das habe gelingen können, weil alle angesprochenen, sich auf das Wasser beziehenden Aspekte auf herausragende Weise bespielt würden. Sogar ein See sei vorhanden, bzw bewusst im Giessenpark angelegt worden, um die Vielfalt der Wasserinszenierung zu komplettieren. Zusammen mit den Sportmöglichkeiten und den Freizeitangeboten verkörpere das eigentlich den perfekten Kurort.