gelungener Start mit Le Corbusier und Heidi Weber

Die Hüterin und Vermittlerin

Die neue Saison der Kulturellen Vereinigung Bad Ragaz ist mit dem Vortrag unter dem Titel «Heidi Weber und Le Corbusier – sieben Jahre intensive Zusammenarbeit» eröffnet worden. Es folgte die Vernissage der Ausstellung mit Grafiken von Le Corbusier aus der Sammlung der Bad Ragartz im Grand Hotel Hof Ragaz.

von Susan Rupp

Renato Bergamin, Präsident der Kulturellen Vereinigung, begrüsste die über 100 Interessierten: «Wir eröffnen die neue Saison mit einem Paukenschlag.» Es sei schön, dass man «gemeinsam etwas auf die Beine stellen kann», ergänzte er im Hinblick auf die Kooperation mit der Bad Ragartz. Der Stiftung hinter der Bad Ragartz hat Heidi Weber nämlich die Druckgrafiken von Le Corbusier geschenkt (und somit in den permanenten Sammlungsbestand übergeben), die im «Hof Ragaz» ausgestellt sind. Bergamin bedankte sich bei Rolf und Esther Hohmeister, Initianten der Bad Ragartz («Ihr verzaubert seit Jahren die Landschaft»), richtete Grüsse von Heidi Weber aus, die nicht anwesend sein konnte, begrüsste ihren Sohn Bernhard Weber sowie Andrin Schütz, Mitorganisator der Le-Corbusier-Ausstellung. Dann übergab er dem Kunstexperten und Corbusier-Kenner Kuno Fischer aus Luzern das Wort.

Ein Blick rund 60 Jahre zurück

Einleitend skizzierte der Referent die Zeit zwischen 1958 und 1965, während der Heidi Weber und Le Corbusier -zusammengearbeitet haben: erster Raum-flug eines Menschen, Bau der Berliner Mauer, Ermordung von John F. Kennedy, Vietnamkrieg, die Eröffnung des ersten McDonald’s in den USA. In der Schweiz: Ablehnung des Frauenstimmrechts, Konkubinatsverbot in Zürich, Strafbarkeit der Abtreibung.

Heidi Weber wurde 1927 in Münchenstein bei Basel geboren. Von ihrer Mutter habe sie gelernt, «Geld nicht zu horten, sondern sich etwas zu leisten, sich daran zu erfreuen», erzählte Kuno Fischer. Schon früh habe sich Weber gewünscht, ausbrechen zu können, während des Zweiten Weltkrieges waren aber die Grenzen geschlossen. Sie ging als Au-pair in die Westschweiz. 1943 machte sie eine Berufslehre in einem Delikatessengeschäft, arbeitete im Verkauf. Gleichzeitig habe sie das Kunstmuseum Basel immer magisch angezogen. «Sie wollte aber keine Führung machen, die Bilder sollten wirken und Emotionen auslösen», so der Referent.

Überwältigt von Ausdruckskraft

Der Heirat 1951 und der Geburt des Sohnes 1952 folgte im Jahr 1955 die Scheidung. Weber verzichtete auf Alimente, weil «sie diese Bevormundung abgelehnt hat». Sie arbeitete im Inneneinrichtungsbereich, bildete sich in technischem Zeichnen weiter und 1957 machte sie sich mit Interior Design und der Gründung ihres Studios «Mezzanin» in Zürich selbstständig. Sie hat Kunden beraten und Möbel entworfen. «Sie wollte keine Einrichtungsboutique sein, sie stellte die Designstücke wie Kunstobjekte aus», so Fischer. Im gleichen Jahr habe auch Le Corbusier in Zürich ausgestellt. Heidi Weber sei von der Ausdruckskraft seiner Bilder überwältigt gewesen.

Ein Jahr darauf traf sie sich mit Le Cor-busier, von da an folgten diese Treffen im Zwei-Wochen-Rhythmus in Paris. Sie bekam einen exklusiven Produktions- und Verkaufsvertrag für Le-Corbusier-Möbel. Doch auch das bildnerische Werk habe sie angezogen. Im «Mezzanin» organisierte Weber deshalb eine Ausstellung mit Bildern von Le Corbusier und übernahm die kompletten Kosten, trug das gesamte Risiko, war dafür verantwortlich, dass alles klappte. Und das tat es. «Le Corbusier machte sie schliesslich zur Hüterin und Vermittlerin seines künstlerischen Nachlasses», so Kuno Fischer.

«Ein architektonisches Juwel»

Sie wollte aber noch einen Schritt weiter gehen und die zentralen Facetten des Genies zusammenführen zu einem Gesamtkunstwerk, war weiter zu hören. Zwei Jahre später wird denn auch das Heidi-Weber-Museum Centre Le Corbusier in Zürich eröffnet, ein Glas-Metall-Bau nach den Plänen von Le Corbusier. «Das erste private Single-Artist-Museum ist ein architektonisches Juwel», erklärt Fischer. Während 50 Jahren habe Heidi Weber danach im Centre Le Corbusier Veranstaltungen, Diskussionen, Seminare etc. organisiert. Sie sei ihrer Zeit immer weit voraus gewesen, sie habe schon im Jahr 1968 ein Umweltforum gegründet und sich für die Gleichstellung der Frau starkgemacht. Und sie ist auch nach dem Tod von Le Corbusier (im August 1965) die zentrale Person bezüglich der Vermittlung seines künstlerischen Werks geblieben.

Heidi Webers Beharrlichkeit, Selbstständigkeit, ihre Offenheit und Neugier, ihre Risikobereitschaft und Genauigkeit sowie ihre Fröhlichkeit haben die Zusammenarbeit mit Le Corbusier überhaupt möglich gemacht. Tief beeindruckt vom Porträt dieser inspirierenden Frau und dem Einblick in ihr bewegtes Leben, machte sich das Publikum im Anschluss auf in Richtung «Hof Ragaz», um den kreativen Geist von Le Corbusier in Form seiner Druckgrafiken zu bestaunen und mit einem Glas Wein anzustossen.

Ausstellung im
Grand Resort

Die Ausstellung im Grand Hotel Hof Ragaz mit den aus der Sammlung der Stiftung Schweizerische Triennale der Skulptur stammenden Werken – eine Schenkung von Heidi Weber – bietet die seltene Gelegenheit, verschiedene grafische Werkzyklen von
Le Corbusier zu erleben. Die Auswahl zeigt die vielfältigen motivischen und technischen Aspekte in Le Corbusiers (1887–1965)druckgrafischem Schaffen. Die zahlreichen Werke sind noch bis Ende März 2022 im «Hof
Ragaz» zu sehen. (pd)