Starkoch Andreas Caminada zu Gast – der Zeitungsbericht

Der Bündner Zauberer in Bad Ragaz

 

Vor grossem Publikum diskutierten der Dreisternekoch Andreas Caminada und Chasper Pult im Kursaal Bad Ragaz über das Thema Kunst aus der Küche. Wer den grossen Meister bisher nicht persönlich kannte, erlebte einige angenehme Überraschungen.

 

von Valentin Vincenz

 

Bad Ragaz. Die Kulturelle Vereinigung Bad Ragaz mit dem Präsidenten Renato Bergamin musste mehrere Jahre warten, bis es Andreas Caminda möglich wurde, zu einem öffentlichen Gespräch mit Chasper Pult in den Ragazer Kursaal zu kommen. Und die Begegnung zwischen dem Starkoch Caminada und dem Engadiner Linguisten und Publizisten Chasper Pult war ein Volltreffer für die Organisatoren und ein Erlebnis für die Zuhörer.

Die Biografie von Caminada hört sich wie ein Märchen an: Vom Kochlehrling zum absoluten Meister im Schloss Schauenstein mit drei Michelin Sternen und 19 Gault Millau Punkten. Und dies nicht für einen Mann reiferen Alters, Caminada feiert nächstens seinen vierzigsten Geburtstag. Natürlich war auch für ihn der Weg dahin steil und alles andere als einfach. Es brauchte Mut und Hartnäckigkeit, Pfade zu begehen, deren Ende man im Voraus nicht kennen konnte. Nach der Lehre machte sich Caminada auf berufliche Wanderjahre bei berühmten Köchen im In- und Ausland. Ein längerer Aufenthalt in Vancouver in British Columbia gehörte ebenfalls zu seinem Werdegang.

 

Schloss Schauenstein

 

Dieser Ort kommt den Ideen von Caminada sehr entgegen. Das traditionsreiche Haus ist nicht zu gross, aber authentisch und wunderschön. Die Verkehrslage ist sehr gut an der Nordsüdachse in Graubünden, das Domleschg ist eine der fruchtbarsten Gegenden im grössten Kanton der Schweiz; Obst-, Gemüsegarten und Kornkammer zugleich.

Mit diesem Standort ist eine grosse Herausforderung verbunden. Man befindet sich nicht in einer wichtigen, bevölkerungsreichen Stadt, die Kunden müssen aus der Grossstadt angelockt werden. Dass dies Caminada prächtig gelungen ist, zeigt das auf lange Zeit hinaus gefüllte Reservierungsbuch. Andreas Caminada ist, nach seiner Aussage im Kursaal, keineswegs an einem Ziel angelangt, an dem er ausruhen und verbleiben will. Das sei das Schöne an seinem Beruf, er könne immer weiter tüfteln und wieder Neues kreieren. Seiner kulinarischen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Mit klarem Nein beantwortete er die Frage von Chasper Pult, ob er nicht auch schon an einen anderen Beruf gedacht habe.

 

Artischocken aus dem Domleschg

 

Wie er es mit den Produkten aus der lokalen Erzeugung halte, wollte Chasper Pult von ihm wissen. Ob er seiner anspruchsvolle Klientele vor allem Spezialitäten aus der grossen, fernen Welt auftische. Es gebe einzelne Klassiker, die man hie und da machen müsse. Aber das Domleschg habe ganz wunderbare Feld- und Fleischprodukte zu bieten. Und wenn gewisse Produkte im Angebot fehlen, können sie manchmal neu angepflanzt werden. Vor zwei Jahre traf Caminada mit einem einheimischen Gemüsebauern ein vertragliches Abkommen. Der Bauer pflanzte im Domleschg Artischocken, Caminada sicherte ihm beim Gelingen dieses Versuchs die Abnahme der ganzen Ernte zu. Im vergangenen Jahr wurden im Schloss Schauenstein 1 500 wunderbare Artischocken verarbeitet und serviert. Wie Caminada gegenüber dem „Sarganserländer“ persönlich sagte, werden es in diesem Jahr noch mehr Artischocken sein.

 

Sein Wissen weitergeben (Kommentar von Valentin Vincenz)

 

Als Teil eines seiner Projekte wurde in Bad Ragaz, nach St. Moritz, das zweite Restaurant „IGNIV by Andreas Caminada“ und dem damit verbundenen, neuen Gastronomiekonzept eröffnet. Dieses ist vom Chefkoch Caminada ausgearbeitet, es wird jedoch von einem jungen, passionierten Team umgesetzt, geführt von Silvio Camenisch mit einem Michelin Stern und 16 Gault Millau Punkten im ehemaligen Gourmetrestaurant „Äbtestube“ im Bad Ragazer Grand Resort.

Mit der von Andreas Caminada neu gegründeten und von seiner Frau geleiteten Stiftung mit Namen „Fundaziun Uccelin“ werden Nachwuchstalente an Koch- und Servicefachkräften im In- und Ausland individuell auch finanziell unterstützt und gefördert. Damit will Caminada dem Handwerk auch neuen Aufwind geben.

Dass der grosse Meister auch noch seiner rätoromanischen Muttersprache Gutes tut, sei nebenbei erwähnt. Das rätoromanische Wort Igniv bedeutet „Vogelnest“, Uccelin oder Utschelin ist ein „kleiner, junger Vogel“. Beide Namen werden von Caminada nicht nur ausserhalb des romanischen Stammgebietes verbreitet, sie haben mit „fertig gebautes Vogelnest“ und „für das Fliegen lernende Jungvögel“ eine klare symbolische Bedeutung.

Ein Mensch wie du und ich

 

Der Auftritt des Dreisternekochs mit 19 Gault Millau Punkten Andreas Caminada im Kursaal Bad Ragaz überraschte und beeindruckte viele, die ihn nicht schon persönlich kannten. Es trat kein eingebildeter und arroganter Weltstar voller Dünkel auf die Bühne in Bad Ragaz. Im Gegenteil, er ist und bleibt ein ganz normaler, noch junger Mann, der in seinem Beruf weltweit einer der besten ist. Er kommt aber nicht aus Paris oder New York. Der in Sagogn in der Surselva aufgewachsene Meisterkoch hat sein Reich im Schloss Schauenstein im Bündnerischen Domleschg aufgebaut.

 

Von jugendlichem Lehrlingsalter an packte ihn der Entdeckergeist im Reiche Lucullus‘ des Feinschmeckers. Er war schon immer ein Tüftler und Bastler. Das bisher Gute genügt ihm nie. Es ist immer noch Besseres möglich. Und Besseres ist dann „Caminada“, möchte man sagen.

 

Es kann sehr lange dauern, bis eine neue Version einer Speise für ihn zufriedenstellend ausfällt. Wie geht er dabei vor? Er wählt willkürlich drei regionale Produkte aus der Nähe seines Schlosses im Domleschg aus. Als Laie nenne ich einmal als Beispiel Lammfleisch, ein Gemüse und eine Frucht. Dann wird gegrübelt, getüftelt und ergänzt. Es kommt schon vor, dass ihm erst die zwölfte oder fünfzehnte Auflage als würdig erscheint, um auf den Teller seiner Kunden zu gelangen.

 

Andreas Caminadas Schloss Schauenstein ist ein von Gourmets gesuchter Ort aus nah und fern. Er geht nicht in die Stadt, denn die Stadt kommt ja zu ihm aufs Land. Sein Feinschmeckertempel ist langfristig ausgebucht. Mit dem Restaurant „IGNIV by Caminada“ in der ehemaligen „Äbtestube“ hat neuerdings auch Bad Ragaz ein Restaurant mit dem Gastronomiekonzept des grossen Meisters aus Graubünden.

 

Die Landwirtschaft im Domleschg profitiert von Caminada’s Konzept. Die Tatsache, dass ein Bauer dort neuerdings mit Erfolg Artischocken anbaut, und sie tausendfach dem Wirt vom Schloss Schauenstein verkaufen kann, kommt ist der Kreativität und Ideenvielfalt von Andreas Caminada zu verdanken.. Dieses Beispiel kann vielleicht Schule machen.

 

Es wären noch viele Erfolge und Kunststücke von Andreas Caminada aufzuzählen. In seiner Heimat betitelt man ihn hie und da mit dem romanischem Wort „striun grischun“. Zu Deutsch heisst dies „Bündner Zaubermeister“. Caminada verzaubert aber nicht nur als weltbekannter Gastronom sondern auch mit seinem natürlichen und bescheidenen Auftreten. So auch bei seinem Auftritt im Kursaal Bad Ragaz. Keine Starallüren. Keine mimosenhafte Diva. Nein, ein Mensch wie du und ich.