Hinter die Mauern des Vatikans geblickt
Der Sarganser Daniel Anrig, 34. Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde (2008 – 2015) vermittelte im Rahmen der Vortragsreihe der Kulturellen Vereinigung Bad Ragaz spannende Einblicke hinter die Kulissen des Vatikans und der Schweizergarde.
von Hans Hidber
Bad Ragaz. – Für den ehemaligen Kommandanten der Päpstlichen Schweizergarde war der gut besuchte Vortrag im Kursaal ein Heimspiel, fühlt sich Daniel Anrig doch als gebürtiger Sarganser mit dem Sarganserland stark verbunden. Der studierte Jurist war bereits von 1992 bis 1994 Hellebardier der Garde, 2008 wurde er von Papst Benedikt XVI. zum Kommandanten berufen; ein Amt, das er bis Ende 2015 ausübte. Zuvor war er Kommandant der Glarner Kantonspolizei. Nach der Rückkehr in die Schweiz trat er seinen neuen Job als Chef der Flughaften-Stabsabteilung der Kantonspolizei Zürich an.
Er wohnt mit seiner sechsköpfigen Familie im Glarnerland.
Bewegte Geschichte
Die Garde wurde 1506 von Papst Julius II. gegründet. «Es wird ja eurer ganzen Nation Ruhm bringen, dass eure Männer, bevorzugt vor anderen, zur Bewachung des Apostolischen Palastes berufen werden» schrieb der Papst im Juni 1505 der Eidgenössischen Tagsatzung in seinem Gesuch, ihm 200 «Fussknechte» zu entsenden. 150 junge Schweizer folgten diesem Ruf und traten am 22. Januar 1506 ihren Dienst an. Beim «Sacco di Roma» (Plünderung Roms) am 6. Mai 1527 wurden 147 von 189 Gardisten hingemetzelt. Seither wird der 6. Mai als Gedenktag begangen, an dem jeweils auch die Vereidigung der im Vorjahr eingetretenen Rekruten stattfindet: 1870 erfolgte die militärische Einnahme des bis dahin noch verbliebenen Kirchenstaats durch italienische Truppen; 1929 wurden mit Mussolini die sogenannten Lateranverträge ausgehandelt, die dem nur 44 Hektaren grossen Zwergstaat Vatikan volle Souveränität sicherten und auch die Bewachung der Eingänge durch die Schweizergarde festlegten. 1970 schaffte Paul VI. die Nobelgarde und die Palatingarde ab, sodass nur noch die beiden Sicherheitskorps Schweizergarde und die päpstliche Gendarmerie blieben.
Die Kernaufgaben der Garde
Anrig nannte die vier Hauptaufgaben der Garde: Personenschutz für den Heiligen Vater, auch auf seinen Reisen; die Eingänge zu Vatikanstadt bewachen; das Kardinalskollegium während des Konklaves zu beschützen und Ordnungs- und Ehrendienste zu leisten. «Der Vatikan selbst mit seinen Institutionen gibt es eine Aufgabentrennung: Die Garde hat die Eingänge zur Vatikanstadt zu bewachen und den Schutz des Apostolischen Palastes und des Papstes zu gewährleisten. Die Gendarmerie hat die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Territorium der Vatikanstadt. Da gab es schon Differenzen zwischen den beiden Sicherheitskorps: Papst Franziskus logiert bekanntlich ausserhalb der Papstwohnung im Palast auf Territorium, für das die Gendarmerie zuständig ist. Andererseits hat die Garde dort präsent zu sein, wo sich der Papst aufhält. Kommandant Anrig ist es gelungen, diesen Konflikt einvernehmlich zu lösen.
Zwischen Tradition und Moderne
Die Gardisten in ihrer malerischen Uniform sind ein beliebtes Foto-Sujet. Aber der Schein einer folkloristischen Truppe trügt. Die Gardisten erfahren eine umfassende Ausbildung in der Waffenhandhabung und im Nahkampf, müssen auch ihr Durchstehvermögen bei langen und einsamen Wachestehen trainieren. Vielfältig sind die Aufgaben eines Kommandanten. Die «edelsten» auf den Punkt gebracht: Rekrutierung, Ausbildung und Korpsgeist leben, so der Referent. Hinter diesen drei Schwerpunkten verbergen sich unzählige Details, die Anrig anschaulich schilderte. «Rom ist meine emotionale Heimat» bekannte er. «Wo sonst gibt es einen Job, in dem Körper, Geist und Seele gleichsam berührt werden?» Die Amtsdauer eines Kommandanten beträgt 5 Jahre. Seine wurde beim Amtsantritt von Papst Franziskus 2013 provisorisch um zwei Jahre verlängert. «Dass neue Päpste ihr Kader nach ihrem Gusto auswechseln, ist normal und nachvollziehbar», so Anrig. Dennoch war die Beendigung seines Engagements auf Ende 2015 nicht nur für ihn, sondern auch seine familiäre Umgebung ein Schock. «Aber ich denke in Dankbarkeit zurück, dass ich einmalige Erfahrungen sammeln, den Glauben und die innere Berufung leben durfte.»