Zeitungsbericht zum Vortrag NORDKOREA

Nordkorea zwischen Grossartigkeit, Armut und Elend

Der von der Kulturellen Vereinigung Bad Ragaz organisierte Vortrag von Walter Eggenberger über Nordkorea lockte viele Interessierte an. Der Referent ist der breiteren Öffentlichkeit vor allem als ehemaliger Moderator von «Zahn vor Zehn» im Schweizer Fernsehen in bester Erinnerung.
von Hans Hidber

Bad Ragaz. – «Ich werde kein politisches Seminar abhalten», stellte der Referent gleich zu Beginn seines Vortrages klar. Kaum ein anderer Schweizer dürfte sich in Nordkorea so gut auskennen als Walter Eggenberger, der in den 20 Jahren seit der Beendigung seiner Fernsehkariere das völlig abgeschottete Land immer wieder bereiste und sich dort auch längere Zeit aufhielt. Die erste Bekanntschaft mit Nordkorea machte er 1998, als er im Auftrag des Schweizer Katastrophenhilfskorps ein ganzes Jahr dort verbrachte, um die Verteilung der schweizerischen Hilfsgüter nach der grossen Hungersnot zu organisieren und koordinieren. Seither war er schon 15-mal in seiner neuen Betätigung als Reisebegleiter in diesem Land und konnte deshalb in seinem höchst spannenden Referat unter dem Titel «Meine Erfahrungen in Nordkorea» in Wort und Bild aus dem Vollen schöpfen.

Ein bizarrer Personenkult

Kaum hat man die akribische Grenzkontrolle hinter sich – bei der vor allem mitgebrachte Literatur und selbst Landkarten von Nordkorea ohne Begründung konfisziert werden – sehe man mit einem Personenkult konfrontiert, wie er kaum noch irgendwo sonst in der Welt anzutreffen sei. In allen öffentlichen Gebäuden und Räumen müssen zwingend die Porträts der» grossen» und «geliebten» Führer Kim IL-sung und Kim Jong-Il (Grossvater und Vater des Jungdiktators) angebracht sein. Dann die überlebensgrossen Statuen der beiden, vor denen man sich ehrfürchtig zu verneigen hat; ferner gibt es im Land rund 30 000 Skulpturen zur Verherrlichung des Staatsgründers und seines Sohnes. Zu diesem Kult passen auch die grossartig inszenierten und orchestrierten Massenveranstaltungen mit einer neidlos zu bewundernden Choreografie, wobei zum Beispiel etwa 30 000 Personen durch Hochhalten und Wechsel verschiedenfarbiger Kartons mit unglaublicher Präzision lebende Bilder erzeugten. Der Referent liess auch Bilder einer atemberaubend schönen, weitgehend unberührten Landschaft aufscheinen.

Alltag lockerer als auch schon

«Die Nordkoreaner gelten als Italiener des Ostens», so der Referent. Die Bevölklerung sei freundlich und gastfreundlich, doch darf niemand mit Touristen direkten Kontakt aufnehmen. Eggenberger kann mittlerweile eine gewisse Tendenz zur Lockerung im täglichen Umgang feststellen. Am 1. Mai hätte er eine bombastische Militärparade erwartet. Stattdessen hätten Tausende von Familien von den vielen Pärken in Pyongyang und den kilometerlangen Flusspromenaden Besitz ergriffen, gegrillt und gepicknickt, «dass es eine Freude war». Doch es gebe auch die dunkeln Seiten von Armut und Elend in jenen Gebieten, zu denen nicht einmal Hilfswerke Zutritt haben. Ein ihm zugespieltes Bild zeigt ausgemergelte Kinder, auf riesigen Feldern ist ein einzelner Bauer zu sehen, mit einem Ochsen oder einer Kuh am Pflug. Was sich fern von den mit Propaganda beträufelten Touristenzonen abspiele, könne nur erahnt werden.

Trügerisches Tauwetter

«Der Rhythmus zwischen Zeichen der Annäherung und der Provokationen mit militärischen Drohgebärden läuft seit Jahrzehnten immer gleich ab», so Eggenberger. Ob dahinter innenpolitisches Kalkül, Bluff oder ernstgemeinte Absichten stecken, sei schwer auszumachen. Der Referent zeigte auch ein ernüchterndes Bild über die hochgejubelten angeblichen «Familienzusammenführungen».

Diese Begegnungen von seit Jahrzehnten auseinandergerissenen Familien würden ausschliesslich in Nordkorea stattfinden (unter Aufsicht), dann müssten die Angehörigen wieder zu ihren Wohnorten zurück und bekämen nachher nie wieder Gelegenheit, sich erneut zu treffen. «Das ist doch keine Familienzusammenführung», empört sich Eggenberger. Derzeit gibt Diktator Kim Jong-un mit Blick Zusammenhang mit dem gemeinsamen Auftritt an der Winterolympiade in Südkorea wieder versöhnliche Tö ne von sich. «Es ist ja schön, dass sie wieder miteinander reden», meint der Referent dazu. Aufgrund seiner Erfahrungen ist er aber skeptisch, dass daraus etwas Nachhaltiges entsteht. Im Rhythmus der unberechenbaren Wechselbäder könnte bald wieder erneutes Säbelrasseln folgen.